Aktuelles bei der Lebenshilfe Schweinfurt

Gartenparzelle No. 372: Gesunde Ernährung in der Werkstatt Sennfeld

Das Team der Tagesgruppe der Werkstatt Sennfeld steht voll hinter dem Gartenprojekt „Alte Warte“, was demnächst im Rahmen der arbeitsbegleitenden Maßnahmen für alle Mitarbeiter angeboten werden soll. V. l. n. r.: Tagesgruppenleiter Josef Weinbeer, Mitarbeiter Oliver Köhl, Alex Schira und Stefan Weber, Mitarbeiterin Sylvia Zielasko, Gruppenleiter Florian Borst, ab September 2022 Leiter der Tagesgruppe, und Mitarbeiterin Julia Beisel (vorn).

Wer hat den größten Rettich? Daniel Veith (1. v. l.) und Marco Götzendörfer freuen sich über das Unentschieden. Sie sind mit 28 weiteren Mitarbeitern der Werkstatt Sennfeld zu Besuch im Nutzgarten „Alte Warte“, um das neue Garten- und Gesundheitsprojekt der Werkstatt kennenzulernen. Vorne (v. l. n. r.): Werkstattmitarbeiterin Bettina Pfarr, Anna Weingärtner und Mitarbeiter Ali Durmaz beim Kosten der frisch geschnittenen Rettiche.

Der Einladung Florian Borsts (l.), des zukünftigen Tagesgruppenleiters der Werkstatt Sennfeld, im Garten selbst mit Hand anzulegen, folgen die Besucher aus der Werkstatt Sennfeld mit Begeisterung. Olli Brust hilft Carola Bauer am Hochbeet mit der extra für kleinere Menschen und Rollstuhlfahrer angefertigten Handspritze, den frisch gepflanzten Chinakohl zu wässern.

Die Rote Beete kennt Werkstattmitarbeiter Bruno Weißenberger (r.) eigentlich nur aus dem Glas und schaut sich deshalb die gesunden Knollen genau an. Dabei gibt Marco Götzendörfer vom Beobachterposten aus seine Meinung zur gesunden Ernährung preis: „Gemüse, freilich, ja, weil es gut schmeckt und auch Vitamine drin sind. Aber ohne Schnitzel geht das eigentlich gar nicht!“

Werkstatt-Mitarbeiter lernen Gartenprojekt „Alte Warte“ als neue arbeitsbegleitende Maßnahme kennen

 

„Der Gedanke der gesunden Ernährung soll überall in der Werkstatt platziert werden. Unsere Mitarbeiter sollen verstehen, dass man gesund, trotzdem viel essen und dabei auch noch satt werden kann“, brachte Günter Scheuring, Leiter der Werkstatt für behinderte Menschen Sennfeld, sein Anliegen, gesunde Ernährung zu vermitteln, auf den Punkt. Deshalb habe die zur Lebenshilfe Schweinfurt gehörende Werkstatt auch die Gartenparzelle No. 372 in der Schweinfurter Kleingartenanlage „Alte Warte“ vor drei Jahren gepachtet. Schon damals habe man das Ziel vor Augen gehabt, sie als „Garten- und Gesundheitsprojekt“ in die arbeitsbegleitenden Maßnahmen der Werkstatt zu integrieren, erklärte Scheuring anlässlich der Vorstellung des Gartens.

 

Alle Werkstattmitarbeiter wurden mit ihren Gruppenleitungen kürzlich zu verschiedenen Besichtigungstagen eingeladen. Der Grund: den Nutzgarten sowie den Verantwortlichen des Gartenprojekts und zukünftigen Tagesgruppenleiter der Werkstatt Sennfeld, Florian Borst, und sein Team kennenzulernen. Das Team der Tagesgruppe, das sind fünf Werkstattmitarbeiter mit Handicap. Sie haben seit drei Jahren zusammen mit dem derzeitigen Tagesgruppenleiter, Josef Weinbeer, das Gartenprojekt umgesetzt. „Das Projekt, das speziell für Mitarbeiter mit geistiger und auch körperlicher Behinderung ausgelegt ist, passt sehr gut in unser Gesamtkonzept“, erläuterte Weinbeer. „In dieser Umgebung können Mitarbeiter eine Auszeit vom Werkstattalltag nehmen. Sie lernen das Arbeiten in der Natur kennen und erzielen durch das sichtbare Ergebnis ihrer Arbeit persönliche und nachhaltige Erfolge“. 

 

Insgesamt rund 30 Werkstattmitarbeiter aus drei Arbeitsgruppen fanden sich bei der ersten Gartenvorstellung in der Kleingartenanlage Anfang Juli ein und waren überrascht. Überall blühte und grünte es. Salat, Karotten, Rettiche und Rote-Beete-Knollen waren prächtig gewachsen, die Gurken pflückreif und zudem waren unter der Pergola und auf der Obstbaumwiese Tische für ein zweites Frühstück gedeckt: natürlich gesund und mit Lebensmitteln aus der Gartenparzelle No. 372. Mitarbeiter der Tagesgruppe hatten Pesto-Brote, Gurken-, Rettich- und Karottensticks sowie frisches Zitronenmelissen-Wasser für die Gäste vorbereitet.

 

„Die Brote haben wunderbar geschmeckt“, meinte Besucher Enis Berisha aus dem Arbeitsbereich Verpackung der Werkstatt Sennfeld. Dem pflichtete Werkstatt-Mitarbeiter Ali Durmaz bei. Er erklärte, dass es eine sehr gute und gesunde Sache sei, Gemüse zu essen, weil man davon nicht so dick werde. Rollstuhlfahrer Jannik Fischer fiel besonders die Barrierefreiheit der Gartenanlage auf. Sogar die vier mal zwei Meter großen Hochbeete seien barrierefrei angelegt und mit Rolli unterfahrbar. „Es ist hier eine gute Umgebung mit vielen gesunden Sachen. Im Laden sind gesunde Sachen oft nicht so gesund, weil sie gespritzt sind“, war seine Meinung.

 

„Zu sehen, wo Obst und Gemüse herkommen, ist wichtig. Gesunde Ernährung muss erlebbar gemacht werden“, stimmte Borst den Aussagen der Gartenbesucher bei. Die Idee, das Gartenprojekt in die arbeitsbegleitenden Maßnahmen zu integrieren, sei ganz in seinem Sinne. Borst, der die Tagesgruppe der Werkstatt Sennfeld ab September 2022 führen wird, hat vor, das Projekt in vier Module zu teilen: Aussäen/Pflanzen, Gartenpflege, Ernten und Verarbeitung, wobei eine Gruppe alle Module durchlaufen soll. Daneben sei denkbar, den Garten auch für Nichtteilnehmer der arbeitsbegleitenden Maßnahmen als einen Ort der Kommunikation, des Zusammenkommens, der Auszeit und für Feste zu nutzen.

 

Die Teilnehmer des Kennenlerntages zeigten sich nicht nur vom gesunden Frühstück begeistert. Auch der Garten selbst mit den kunstvollen Dekorationen aus Weidengeflecht, die Geräte-Vorrichtungen, das Gartenhaus mit seiner voll ausgestatteten Küche und die überdachte Pergola begeisterten. So nahmen die Teilnehmer auch das Angebot gerne an, selbst einmal Gartenarbeit auszuprobieren. Voller Elan wurden der Wasserschlauch ausgerollt und die Flachbeete, Hochbeete und Kräuterbeete gespritzt. Dabei gab es viele Fragen zu beantworten: Wieso muss so oft gehackt werden? Weshalb soll man morgens gießen? Warum sind die Tomaten noch grün? Und was ist überhaupt was? Eine gute Hilfe waren dabei die vom Gartenteam eingesteckten „Namensschilder“, die das Gemüse oder die Kräuter benennen und sogar abbilden.

 

Gruppenleiter Weinbeer, der Ende August in Rente geht, freut sich, in Borst einen motivierten und ebenfalls mit einem „grünen Daumen“ ausgestatteten Nachfolger gefunden zu haben. Auch Borst sieht es als seinen Auftrag, Projekte anzubieten, die auf die Erhaltung, Weiterentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung der Beschäftigten ausgelegt sind.

 

Die arbeitspädagogische Tagesgruppe der Werkstatt Sennfeld, die ihren Sitz in der Schweinfurter Gorch-Fock-Straße 13 hat, wurde vor 27 Jahren gegründet und seitdem von Josef Weinbeer geleitet. In ihr nehmen Mitarbeiter der Werkstatt eine drei- bis vierwöchige kreative Auszeit von ihrem Arbeitsalltag. In Kleingruppen bietet die Stabilisierungs- und Trainingsgruppe geistig und mehrfach behinderten Menschen die Möglichkeit, neues im lebenspraktischen und kreativen Bereich auszuprobieren. Ziel ist, die individuellen Fähigkeiten zu stärken und auszubauen. Dabei werden die eigene Selbstwahrnehmung und das Selbstwertgefühl der Teilnehmer nachhaltig gefördert, um die Teilhabe am Arbeitsleben zu erhalten oder wiederzugewinnen.

 

In der Sennfelder Lebenshilfe-Werkstatt selbst arbeiten rund 450 Menschen mit Behinderung. Über 100 Personalangestellte unterstützen und fördern sie in ihrem Arbeitsalltag. Lohnfertigung, Eigenfertigung, eine Malergruppe, Schreinerei und Schlosserei: Die Werkstatt Sennfeld zählt sowohl industrielle Auftraggeber und Handwerksbetriebe als auch Kommunen und Privathaushalte zu ihren Kunden. Die 1969 gegründete und nach ISO 9001 zertifizierte Einrichtung versteht sich als modernes Sozialunternehmen, das seinen Mitarbeitern hilft, ihren Platz im Arbeitsleben zu finden, und Kunden ein attraktives Produkt- und Dienstleistungsspektrum anbietet.